Herbert Schwager und Gerd Althoff - Zwei Rentner rocken die Berge

1. Juli 2017 - 18. August 2017
Luzia Duijts


Zusammen bringen sie es auf 140 Lebensjahre! Und während Rentenratgeber die Frage aufwerfen „Ruhestand – und jetzt?“, wissen Herbert und Gerd längst die Antwort „Klettern!“ Im Sommer 2017 zogen sie los, um sechs Wochen lang in der Dauphiné und auf Korsika die Wände hochzugehen. Am Ende brachten sie es auf 102 Seillängen, davon ein Großteil im oberen sechsten und im siebten Grad.

Andreas Dülberg führte das Interview mit den beiden Kohlenpott-Originalen, denen die Höhe auch in die berufliche Wiege gelegt wurde. Herbert war im Berufsleben Gerüstbauer, Gerd Schornsteinfeger.

Herbert, du bist 1939 geboren und hast sportlich schon ganz viel erlebt. Ich habe gehört, du bist Rad gefahren, als Semi-Profi.

Herbert: Als Amateur. Für den Profi hat das Geld gefehlt. Früher bist du in einen Verein gegangen. Ich war nur sechs Jahre aktiv, dann habe ich wieder aufgehört. ´76 bin ich dann mit dem Langstreckenlauf wieder angefangen, allerdings ohne den Gedanken zu haben, so lange zu laufen. Für unsere Verhältnisse war das extrem. Wenn du 130 Kilometer die Woche läufst, bist du kein Hobbysportler mehr.

Das Ziel war der Marathon oder eher die Kurzstrecke?

Herbert: Alles! 3.000, 5.000, 10.000 Meter auf der Bahn, Stundenlauf.

Was ist deine 10-Kilometer-Bestzeit?

Herbert: 32,46 und ein paar Gequetschte. Da war ich in einem Verein in Bochum, dem SC Griesenbruch.

Weißt du noch deine Marathon-Bestzeit?

Herbert: 2 Stunden und 33 Minuten.

2 Stunden und 33 Minuten? Nein, 3 Stunden und 33 Minuten.

Herbert: Nein, nein, 2:33. Bei 3:33 hätte ich schon geduscht und wäre zu Hause gewesen.

Und wie bist du zum Bergsteigen gekommen?

Herbert: Durch den Verein. Wir sind in die Berge rein, aber nur zum Wandern. Der Wechsel zum Bergsport war ´86/´87. Irgendwann wollte ich mal einen Kletterkurs besuchen. Ich habe in den Lienzer Dolomiten einen Kletterkurs gemacht und einen Bergführer kennengelernt. Der hat mich richtig eingewiesen. Daraufhin bin ich ´87 in Bochum in die Sektion eingetreten.

Du bist zu Fuß bis in die Lienzer Dolomiten gelaufen.

Herbert: 2000 war ich offiziell Rentner und bin das erste Mal mit dem Fahrrad runter nach Osttirol. Das habe ich zweimal gemacht. 2007 bin ich zu Fuß da hin.

Wo hast du geschlafen? Im Zelt?

Herbert: Nein, ich hatte Wanderstöcke, die habe ich umgedreht und ein Stück Plane drangemacht.

Gerd, es ist sehr interessant, dass wir hier in der Tradition der sächsischen Kletterer einen Schornsteinfeger sitzen haben, der zum Klettern gefunden hat.

Gerd: Ich habe Anfang der 90er Jahre ein neues Hobby gesucht und bin zusammen mit einem Schornsteinfegerkollegen 1992 in die Bochumer Sektion eingetreten.

Hast du vorher schon einmal Sport gemacht?

Gerd: Ganz früher habe ich Fußball gespielt und dann war ich in der Muckibude. Das war ein privates Studio, wo sich Freunde getroffen haben und die Geräte selbst gebaut haben.

Das hört sich nach Rückenschmerzen und Überlastungsschäden an. In der Sektion hast du dann den Herbert kennengelernt.

Gerd: Fünf, sechs Jahre waren wir beide eine Seilschaft und haben viel miteinander gemacht. Sella, Canazei, Lago Maggiore, Arco. ´95/´96 fing es mit den Kletterhallen an. Da haben wir die ganzen Winter verbracht.

Wir müssen jetzt zu eurem Supersommer kommen: 103 Seillängen seid ihr geklettert!

Gerd: Oder 102? Das müsste ich in meinem schlauen Buch nachschauen. Ich schreibe jede Tour auf, damit ich sie nicht vergesse. Nach 20 oder 25 Jahren weiß man die ganzen Touren nicht mehr.

Wie siehst du den Umgang mit dem Risiko im fortschreitenden Alter?

Gerd: Ich bin nicht risikobereiter geworden, aber durch die langen Jahre kann ich ganz gut einschätzen, ob etwas geht oder nicht geht. Erfahrung hilft und kompensiert zum Teil auch das Alter.

Herbert: Ich habe im Moment wieder eine Phase, da bin ich nicht so fit.

Ihr wart in diesem Jahr zuerst in der Dauphiné. Von den 18 Tagen, die ihr dort wart, seid ihr nur zwei Tage nicht geklettert. Herbert, kannst du ein Highlight nennen?

Herbert: Ich hab den Namen jetzt nicht mehr. Da war eine Tour, die hat mir sehr gut gefallen. Man musste vom Parkplatz aus zehn Minuten oder eine Viertelstunde zum Einstieg laufen. Dann kamen zwei 5b-Seillängen und dann ein langer Quergang zu einer Kante. Wir haben die Kante bis oben hin gemacht und sind dann wieder abgeseilt. Ich weiß nicht mehr, wie die Tour hieß.

Und dann kamt ihr nach Korsika und habt dort auch ein Highlight nach dem anderen abgehakt. Aber zuerst war es zu heiß zum Klettern.

Gerd: Ja, wir kamen an und das Thermometer zeigte 42 Grad. Du konntest die ersten zwei Tage nichts machen.

Ihr habt an der Punta Macao die Kletterroute Aïoli Bar gemacht. An der Punta d’Arghjavara die Pesche Bianco, dann noch U Haddad, Linea a l´Ombra. Das sind 40 Meter, eine 7er-Route, die im Führer mit 6b angegeben ist. Steiles Teil. Aber Herbert sagt, er war nicht so gut in Form …

Gerd: Es war nie langweilig. Ich hätte noch drei oder vier Wochen bleiben können.

Herbert, du bist ja in der besten Kletterhalle der Welt [Herbert arbeitet im „Bergwerk“ in Dortmund]! Dort hast du ständigen Kontakt mit den Kletterern, die in der Regel 40 Jahre jünger sind als du.

Herbert: Früher habe ich mehr gemacht, aber für manche Sachen bin ich jetzt wirklich zu alt. Ich kümmere mich um die Sicherheit, das heißt, den gesamten Seilbereich. Ich tausche Seile aus und kontrolliere sie. Früher hatte ich die Seile jeden Tag in der Hand, heute nur noch drei, vier Mal in der Woche.

Du hast in diesem Jahr noch was vor.

Herbert: Im Oktober reise ich nach Sizilien – das Geld muss weg. Da gibt es Mehrseillängentouren. Bis dahin habe ich noch sechs Wochen und dafür trainiere ich. Weniger klettern, aber körperlich fit werden, Beweglichkeit. Das ist für mich wieder eine Motivation.
Mir fehlen Ziele, früher hatte ich mehr. Nächstes Jahr höre ich vielleicht auf, aber vorher mache ich noch einmal die Direkte Nordwand.

Welche?

Herbert: Laserz, die Direkte Laserz-Nordwand in den Lienzer Dolomiten. Die ist nicht so schwer, aber richtig alpin. Du hast in den 600 Metern, wenn es hoch kommt, vier, fünf Haken und mehrere Stellen mit 5+. Und in den Dolomiten 5+, das ist schon was.

Gerd, was sind deine Pläne? Wofür trainierst du?

Gerd: Im Moment habe ich keine Pläne, aber der Klettermarathon in Chorweiler wäre sicherlich eine Motivationshilfe.

In zwei Jahren gibt es wieder eine Korsikafahrt. Seid ihr dabei?

Gerd: Ja, auf jeden Fall.

Herbert: Dann bin ich erst 79. Dann bleiben wir bis Dezember und feiern in meinen 80sten rein!

 

Fotos: privat

Kategorie:
Klettern



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